Situative Führung, auch situative Führungsstil oder Situational Leadership genannt, ist ein Konzept, das von Paul Hersey und Ken Blanchard entwickelt wurde. Es besagt, dass es keinen universellen Führungsstil gibt, der in allen Situationen effektiv ist. Stattdessen sollten Führungskräfte ihren Stil an die jeweilige Situation und an die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter anpassen.

In dem Modell gibt es zwei Achsen. Eine aufgabenorientierte Achse (Anleiten) und eine Beziehungsorientierte Achse (Unterstützen).

Das Modell unterscheidet vier Hauptführungsstile, die je nach Reifegrad und Kompetenz der Mitarbeiter angewendet werden sollten:

Anleiten: Direktive Führung (Telling): Der Führungskraft gibt klare Anweisungen und überwacht eng. Dieser Stil ist geeignet für Mitarbeiter mit geringer Kompetenz und geringem Engagement.

Darstellen: Integrierende Führung (Selling): Der Führungskraft erklärt Entscheidungen, bietet Coaching und fördert die Mitarbeitermotivation. Dieser Stil eignet sich für Mitarbeiter, die eine gewisse Kompetenz entwickelt haben, aber noch unsicher oder wenig motiviert sind.

Teilnehmen: Partizipative Führung (Participating): Der Führungskraft ermutigt zur Teilnahme an Entscheidungsprozessen und zur Problemlösung. Dieser Stil ist geeignet für Mitarbeiter mit ausreichender Kompetenz, aber mit schwankender Motivation.

Delegieren Delegierende Führung (Delegating): Der Führungskraft überträgt Verantwortung und Autorität an die Mitarbeiter, die nur noch minimal überwacht werden. Dieser Stil ist für hochkompetente und motivierte Mitarbeiter geeignet.

Durch die Anpassung des Führungsstils an die jeweilige Situation und den Entwicklungsstand der Mitarbeiter können Führungskräfte effektivere Ergebnisse erzielen und die Entwicklung ihrer Mitarbeiter fördern.

 

Reifegrade

Nach dem Situativen Führungsmodell von Hersey und Blanchard werden die Reifegrade der Mitarbeiter in vier Kategorien unterteilt. Diese Reifegrade, oft als R1 bis R4 bezeichnet, basieren auf zwei Hauptdimensionen: Kompetenz (Fähigkeiten und Wissen) und Engagement (Motivation und Selbstvertrauen). Die vier Reifegrade sind:

Das situative Führungsmodell (Hersey/Blanchard/Johnson 2013; entnommen aus Pfister/Neumann 2019, S.48)

Das situative Führungsmodell (Hersey/Blanchard/Johnson 2013; entnommen aus Pfister/Neumann 2019, S.48)

Reifegrad R1 (niedrigste Reife):
Kompetenz: Geringe Fähigkeiten und wenig Wissen zur Aufgabe.
Engagement: Wenig bis keine Motivation oder Selbstvertrauen in Bezug auf die Aufgabe.
Passender Führungsstil: Direktive Führung (Telling). Der Führungskraft gibt klare Anweisungen und überwacht die Ausführung eng.

Reifegrad R2 (geringe bis mäßige Reife):
Kompetenz: Einige grundlegende Fähigkeiten und Wissen zur Aufgabe, aber noch nicht ausreichend entwickelt.
Engagement: Hohe Motivation, aber wenig Selbstvertrauen oder Unsicherheit in Bezug auf die Aufgabe.
Passender Führungsstil: Integrierende Führung (Selling). Der Führungskraft erklärt Entscheidungen, bietet Coaching und fördert die Mitarbeitermotivation.

Reifegrad R3 (mäßige bis hohe Reife):
Kompetenz: Gute Fähigkeiten und Wissen zur Aufgabe, aber schwankendes Engagement.
Engagement: Wechselnde Motivation und Selbstvertrauen.
Passender Führungsstil: Partizipative Führung (Participating). Der Führungskraft ermutigt zur Teilnahme an Entscheidungsprozessen und zur Problemlösung.

Reifegrad R4 (höchste Reife):
Kompetenz: Hohe Fähigkeiten und umfassendes Wissen zur Aufgabe.
Engagement: Hohe Motivation und Selbstvertrauen.
Passender Führungsstil: Delegierende Führung (Delegating). Der Führungskraft überträgt Verantwortung und Autorität an die Mitarbeiter, die nur noch minimal überwacht werden.

Diese Reifegrade helfen Führungskräften dabei, den Entwicklungsstand ihrer Mitarbeiter einzuschätzen und den Führungsstil entsprechend anzupassen, um die Effektivität und Zufriedenheit im Team zu maximieren.

Kritik

Die Führungstheorie von Hersey und Blanchard, auch bekannt als das Situative Führungsmodell, hat breite Anwendung in der Praxis gefunden und ist populär in der Managementausbildung. Durch die differenzierte Betrachtung ist es Hersey und Blanchard gelungen von dem früher vertretenen Modell “one size fits it all wegzukommen. Es gibt eine Reihe an Kritik an dem Modell und der wissenschaftliche Nachweis für die Wirksamkeit dieses Modells ist nicht gelungen.

Kritische Punkte und empirische Untersuchungen:

  • Methodische Bedenken: Einige Studien haben methodische Schwächen in der Forschung zur Situativen Führung festgestellt, wie z.B. mangelnde Kontrollen und die Schwierigkeit, die verschiedenen Führungsstile präzise zu messen.
  • Inkonsequente Ergebnisse: Empirische Studien haben gemischte Ergebnisse geliefert. Einige Forschungen unterstützen die Theorie und zeigen, dass die Anpassung des Führungsstils an die Reife der Mitarbeiter positive Auswirkungen hat. Andere Studien finden jedoch keine signifikanten Vorteile oder weisen darauf hin, dass die Theorie nicht alle relevanten Faktoren berücksichtigt.
  • Komplexität der Führung: Führung ist ein komplexes Phänomen, das von vielen Variablen beeinflusst wird. Das Situative Führungsmodell berücksichtigt hauptsächlich die Reife und Kompetenz der Mitarbeiter, lässt aber andere wichtige Faktoren wie die Unternehmenskultur, die Art der Aufgabe und die Persönlichkeit des Führenden und der Mitarbeiter außer Acht.

Zusammenfassung

Während das Situative Führungsmodell von Hersey und Blanchard in der Praxis weit verbreitet ist und intuitive Vorteile bietet, bleibt der wissenschaftliche Nachweis für seine Wirksamkeit aus.  Es gibt auch Kritik an den Reifegradstufen. Wieso sollte ein Mitarbeiter der vorher hochmotiviert war, bei zunehmendem Wissen und Reife plötzlich weniger motiviert sein. Führungskräfte sollten das Modell mit Vorsicht anwenden und es als eine von vielen möglichen Ansätzen betrachten, die je nach spezifischer Situation und Kontext angepasst werden müssen.

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